Ein abendlicher Besuch im StützPunkt

 

Wir waren Anfang November vor Ort und durften Gespräche mit Wohnungslosen über deren Situation führen. Wir haben versucht, unsere Eindrücke für Euch zu formulieren und Euch so einen Einblick in die „StützPunkt“-Arbeit zu gewähren.   

 

Zwei Männer und eine Frau warten bereits vor der Tür. Es ist 18.15 Uhr, schon stockdunkel

und ziemlich kalt. Es ist Anfang November. Das Winternotprogramm für Obdachlose ist am 1.11. in Hamburg gestartet. Die, die heute Abend hier sind, sind nicht Teil dieses Angebots. Entweder, weil sie keinen Platz in einem Wohncontainer der Stadt bekommen haben oder weil sie weiter draußen schlafen möchten. Kann man das in Hinblick auf kommende Minusgrade wirklich wählen?

 

Wir lernen einige der Wohnungslosen in Hamburg kennen. Sie haben sich den „StützPunkt“ ausgewählt, um auf einen Kaffee und ein Schachspiel in einer kleinen ruhigen Einrichtung zusammenzukommen. In erster Linie ist der „StützPunkt“ natürlich da, damit die Besucher ihr schweres Gepäck den Tag über gut aufbewahrt wissen und sich abends ihre Schlafsachen wiederholen können und um ihre Papiere im Schließfach zu verwahren.

 

Doch das dieser Ort so viel mehr ist als ein Raum mit Schließfächern, merken wir sofort. Einer nach dem anderen kommt herein. Begrüßt die schon Anwesenden, den Leiter und seinen Angestellten alle freundlich mit Vornamen. Man lässt sich den Schlüssel für sein Schließfach aushändigen und sortiert seine Sachen. Das alles passiert in einer totalen Ruhe. Der eine kocht schon den Kaffee, der andere verteilt Becher. Wieder ein anderer deckt den Tisch mit seinem Brett und seinem Brot und Aufschnitt für sein Abendessen.

 

Und ganz von allein kommen wir ins Gespräch. Es wird kurz erklärt, wer wir sind und warum wir heute Abend im „StützPunkt“ sind. Wir werden von allen wohlwollend begrüßt.

 

Ein Mann von großer Statur beginnt zu erzählen, dass er seit Anfang des Jahres „auf Platte“ lebt. Er hat seinen Platz von einem anderen übernommen, der hat ihm eh vieles beigebracht – wie man sich da draußen verhält, was wichtig ist. Er hat mit drei anderen Obdachlosen seinen Schlafplatz bei C&A. Es ist beruhigend, nicht alleine zu sein. Aber er betont, dass er sich seine Leute aussucht. Keine Alkis, keine Drogis. Anständige, ordentliche Menschen. Genau diesen Eindruck haben auch wir von ihm. Auf der Straße würde man ihn niemals als Wohnungslosen erkennen. Und das ist ihm auch enorm wichtig. Und deshalb ist er auch so dankbar, dass es den „StützPunkt“ gibt, wo er seine Last über den Tag lassen kann. Die Nächte sind manchmal schwer. Nicht wegen der Kälte. Sondern weil angetrunkene gröhlende Feiernde vorbeikommen und meinen, sie müssten um 4 Uhr nachts die Obdachlosen anschreien „Los, aufwachen!“ und im schlechtesten Fall auch noch die Schuhe, die vor dem Schlafsack stehen, klauen. Von Respekt keine Spur.

 

Wir fragen einen weiteren Besucher, der gerade sein Abendbrot gegessen hat, sein Messer, Brett und Becher ordentlich sauber gemacht und wieder verpackt hat, ob wir ihn fragen dürfen, warum er ein Leben auf der Straße führt. Wir dürfen. Und er erklärt, dass er aus Ostdeutschland kommt. Dort vor einigen Jahren noch als Tischler gearbeitet und in einer Wohnung gelebt hat. Bis der Arbeitgeber die Löhne nicht mehr zahlen konnte. Das ging ein halbes Jahr so. In der Zeit hat er seine Ersparnisse aufgebraucht, um seine Ausgaben wie Miete zahlen zu können. Der Moment kam, an dem er das nicht mehr rechtzeitig konnte.

 

Der Vermieter stellte ihm im Winter Strom und Wasser ab. Er ging aus der Wohnung. Auf die Straße. Versuche über Jobcenter wieder eine geregelte Anstellung zu finden, schlugen fehl. Irgendwann kam er nach Hamburg. Seit mittlerweile vier Jahren lebt er auf der Straße. Momentan hat einer Schlafstätte mit einer Frau zusammen. Die lebt schon seit 31 Jahren auf der Straße. Ein alter Hase. Die sich ihren Tagesablauf ganz klar strukturiert und sich abends im „StützPunkt“ ihren Schlafanzug anzieht.

 

Dem „StützPunkt“ stehen vier Wohnungen zur Verfügung, in denen sie Obdachlose aktiv dabei unterstützen, das Wohnen in vier Wänden wieder „zu lernen“. Sie müssen Miete zahlen, lernen eine Tür abzuschließen, einen Herd an- und wieder auszumachen.

Doch das Entscheidende ist, dass der Schritt in einen festen Wohnsitz, der beim Amt gemeldet wird auch bedeutet, sich wieder seiner Vergangenheit zu stellen. Es bedarf eine gehörige Portion Mut den Schritt zu gehen und zu wissen, dass nun all die Briefe, die bisher aufgrund fehlender Meldeadresse nicht zugestellt werden konnten, nun die Menschen wieder erreichen. Denn was auch immer in der Vergangenheit schief gelaufen ist und wovon der ein oder andere aus Verzweiflung weggelaufen ist, an diesem Punkt holt einen die Vergangenheit wieder ein. Auch hier steht der „StützPunkt“ den Wohnungssuchenden – denn das Mietverhältnis wird immer nur für sechs Monate abgeschlossen – zur Seite und unterstützt sie in der Aufarbeitung der Papiere.

 

Abschließend möchten wir sagen, dass wir dankbar sind, dass wir einen Abend in den „StützPunkt“ kommen durften. Dass wir Eintritt gewährt bekommen haben, in deren Stube und sogar Einblicke bekommen durften in deren Geschichten. Es herrscht ein rücksichtsvoller Umgang miteinander, Ruhe und Freundlichkeit, was ganz sicher geprägt wurde durch den empathischen „StützPunkt“-Leiter, der eine herausragende Arbeit macht.

 

Ein in uns nachhallendes Erlebnis, abends am 04. November 2015.